EPR-Trittbrettfahrer: Blinde Passagiere der Herstellerverantwortung im Online-Handel
Inhalt:
- Diskussion zum Trittbrettfahren im Online-Handel
- Trittbrettfahrende und Marktplätze
- Bedarf an Harmonisierung der EPR-Verpflichtung in der EU
- Der Weg zu einheitlicher EPR-Compliance in der EU
Der Online-Handel macht es denkbar einfach, Produkte über Ländergrenzen hinaus zu versenden. Doch neue Märkte kommen auch mit anderen gesetzlichen Vorschriften. Im europäischen Binnenmarkt sind das unter anderem Verpflichtungen der erweiterten Herstellerverantwortung (EPR). Einige Unternehmen mit Sitz außerhalb der EU halten sich nicht an diese EPR-Pflichten, ob absichtlich oder aus Unwissenheit, sei dahingestellt. Was wir wissen, ist: Sie schaden damit allen am System Beteiligten. Das sind zum einen die Entsorgungsbetriebe, die auf ihren Kosten sitzen bleiben, zum anderen aber auch Händer:innen, die ihren Pflichten nachkommen und daher höhere Kosten tragen müssen als der internationale Wettbewerb. Unternehmen, die ihren Pflichten nicht nachkommen, werden Trittbrettfahrer:innen genannt, da sie im Windschatten der Beitragszahler:innen mitfahren.
Diskussion zum Trittbrettfahren im Online-Handel
Das Phänomen der Trittbrettfahrer:innen im Online-Handel wird heiß diskutiert – auf EU-Ebene ebenso wie national. Dafür gibt es einen einfachen Grund: Die blinden Passagier:innen der EPR sind kostspielige Sparfüchse. Allein in der Tschechischen Republik gehen jedes Jahr zweistellige Millionenbeträge an EPR-Gebühren und bis zu mehrere hundert Millionen Euro an Zöllen verloren.
Gleiche Wettbewerbsbedingungen können so nicht gewährleistet werden – letztlich beeinträchtigt dies die Wettbewerbsfähigkeit der EU-Unternehmen.
Trittbrettfahrende und Marktplätze
Um Trittbrettfahrer:innen entgegenzuwirken, müssen Marktplätze (bspw. eBay, Etsy, Amazon) in einigen EU-Ländern schon heute sicherstellen, dass Händler:innen, die auf ihren Plattformen Produkte verkaufen, eine EPR-Registrierung nachweisen können. Häufig wird in diesem Zusammenhang nach der EPR-Nummer gefragt – in Deutschland entspricht diese je nach Produkt der LUCID-, WEEE- oder BattG-Registrierungsnummer. Auch diese Registrierungen sollten durch die Marktplätze überprüft werden (gemäß Batt-VO (EU) 2023/1542 & DSA-VO (EU) 2022/2065).
Ähnliche Bestimmungen sind auch in der ab 2026 gültigen Packaging and Packaging Waste Regulation (PPWR) und im Vorschlag zur Überarbeitung der Richtlinie 2008/98/EG über Abfälle von Textilerzeugnissen vorgesehen. In Deutschland gilt diese Regelung für Verpackungen allerdings schon seit der Novellierung des Verpackungsgesetzes (VerpackG) 2021. Hier zeigt sich gut, dass die Nachweispflicht der EPR-Registrierung ein Schritt in die richtige Richtung ist, allein aber nicht reicht.
Herausforderungen bei der Durchsetzung
Trotz der Registrierungspflicht und der zusätzlichen Kontrollen durch Marktplätze bringen Unternehmen aus Drittländern Produkte in die EU, ohne für deren Rücknahme und Recycling zu sorgen, was die Abfallbewirtschaftungskosten für die Mitgliedstaaten erhöht.
Teilweise veranlassen Unternehmen sogar die Registrierung bei einem EPR-System und den offiziellen Stellen (bspw. der ZSVR – Zentralen Stelle Verpackungsregister in Deutschland), zahlen aber ihre Beiträge nicht. Die Systeme übernehmen dann zwar die Entsorgung ihrer Abfälle (Verpackungen, Batterien, alte Elektrogeräte), aber werden nicht für diese Leistung entschädigt.
Konsequenz durch trittbrettfahrende Unternehmen
Die Nichteinhaltung der EPR-Verpflichtungen bedeutet, dass die Kosten für das Sammeln, Sortieren und Recyceln letztlich auf den Schultern der Erzeuger:innen in der EU getragen werden. Dazu gehören sowohl die Kommunen als auch die EU-Bürger:innen.
Die Vermeidung von zusätzlichen Kosten durch Trittbrettfahrer:innen sorgt dafür, dass ihre Waren aus Drittländern günstiger angeboten werden können. EPR-Beiträge sind dabei nicht die einzigen Kosten, die teils vorsätzlich eingespart werden, auch andere Gebühren und Zölle werden umgangen.
So entziehen sich Unternehmen nicht nur ihrer finanziellen Verantwortung, sondern tragen zusätzlich keine Verantwortung für die Umweltauswirkungen ihres Handelns.
Kontrollinstanzen kommen nicht hinterher
Die Kontrolle von Unternehmen aus Drittländern gestaltet sich oft schwierig. Zoll- und andere Behörden sind nicht immer in der Lage zu kontrollieren, ob alle EPR-Verpflichtungen erfüllt werden – insbesondere bei geringen Sendungsmengen aus dem Ausland. Das führt dazu, dass nicht registrierte Produkte leichter ihren Weg auf den EU-Markt finden.
Bedarf an Harmonisierung der EPR-Verpflichtung in der EU
Der unklare Regulariendschungel stellt eine Hürde für Unternehmen aus Drittländern dar, die ihre Verpflichtungen tatsächlich erfüllen möchten. Jedes Land in der EU hat eigene Interpretationen der unterschiedlichen Richtlinien für Batterien, WEEE und Verpackungen. Das macht es natürlich nicht einfach, alle Vorschriften einzuhalten. Das gilt sicher nicht nur für Unternehmer:innen aus Drittstaaten, sondern auch für EU-Unternehmen, die in Nachbarländer liefern möchten. Eine Harmonisierung der Vorschriften ist auf EU-Ebene daher für alle Beteiligten wünschenswert.
Die gute Nachricht ist, dass dies schon auf dem Weg der Umsetzung ist. Die PPWR, die ab 2026 wirksam wird, ist beispielsweise ein großer Schritt hin zu einer einheitlichen Verpackungsverordnung auf EU-Ebene. Auch die erwartete Überarbeitung der EU-Abfallrahmenrichtlinie für Abfälle von Textilerzeugnissen ist ein weiterer Schritt, auch wenn es sich nicht, wie bei der PPWR, um eine Verordnung, sondern nur eine Richtlinie handelt. Die EPR-Compliance wird mit diesen Neuerungen vielleicht im ersten Schritt nicht sofort einfacher, aber immerhin einheitlicher.
Der Weg zu einheitlicher EPR-Compliance in der EU
Die Einhaltung der EPR-Verpflichtungen ist wichtig für einen fairen Wettbewerb und eine nachhaltige Abfallwirtschaft in der EU. Doch der aktuelle Flickenteppich nationaler Regelungen erschwert die Umsetzung für Unternehmen innerhalb und außerhalb der EU. Eine stärkere Harmonisierung, wie sie durch neue EU-Verordnungen angestoßen wird, ist daher ein wichtiger Schritt in Richtung mehr Klarheit, Fairness und vor allem Umweltverantwortung.