Brexit & E-Commerce: Was bedeutet der Ausstieg aus der EU für Onlinehändler?

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Er war im vergangenen Jahr neben COVID-19 eins der häufigsten Themen in den Nachrichten: Der Brexit. Seit dem 31. Januar 2020 ist Großbritannien nicht mehr Teil der Europäischen Union. Um den Übergang von einem gemeinsamen zu zwei getrennten Binnenmärkten zu erleichtern, wurde eine Übergangsfrist bis Ende 2020 vereinbart.

Vor knapp vier Monaten hat sich vor allem für Onlinehändler*innen so einiges geändert. Was müssen Unternehmen, die Produkte an britische Konsumenten verkaufen möchten, seitdem beachten? Welche Unterlagen werden für den Import in das Vereinigte Königreich benötigt und wie verhält sich das Brexit-Freihandelsabkommen beim Verkauf über einen Online-Marktplatz? Wir haben die wichtigsten Informationen für Sie zusammengefasst.

 

Inhalt

 

 

Überblick: So wirkt sich der Brexit auf den E-Commerce aus

Zusammenfassend müssen Onlinehändler*innen und Unternehmen, die Produkte von oder in das Vereinigte Königreich verschicken, die folgenden Punkte beachten. Genauere Informationen zu den einzelnen Punkten finden Sie weiter unten im Beitrag:

  1. Die Produkte, die nach Großbritannien oder von Großbritannien in die EU verschickt werden, müssen vorab beim Zoll angemeldet und bestimmte Unterlagen eingereicht werden.
  2. Abhängig von dem Warenwert müssen Unternehmen entweder die britische Umsatzsteuer in Großbritannien abführen oder eine Einfuhrumsatzsteuer direkt beim Import in das Vereinigte Königreich zahlen.
  3. Beim Versand von Lebensmitteln gelten besondere Richtlinien.
  4. Verkaufen Onlinehändler*innen ihre Produkte über einen Online-Marktplatz, so trägt der Marktplatz die Umsatzsteuer- bzw. Einfuhrumsatzsteuer-Last.

 

Zollanmeldungen zwischen der EU und Großbritannien: Das ist zu beachten

Durch den Ausstieg aus der EU gilt Großbritannien als Drittstaat – wie auch jedes andere Land, das nicht Mitglied in der EU ist. Wenn ein Unternehmen seine Produkte von Großbritannien in die EU (oder andersherum) importieren möchte, müssen die Produkte daher bei den zuständigen Zollbehörden angemeldet werden.

Für diese Anmeldung benötigen Unternehmen die sogenannte EORI-Nummer (Zollnummer auf europäischer Ebene, „Economic Operators’ Registration and Identification“). Falls Sie diese noch nicht besitzen, aber vorhaben, Ihre Produkte ins Vereinigte Königreich zu importieren, sollten Sie die Nummer zeitnah beantragen, da die Registrierung mitunter zwei Wochen dauern kann.

Um Produkte bei den Zollbehörden anmelden zu können, müssen Unternehmen je nach Art der Sendung verschiedene Zollformulare ausfüllen:

  • Zollinhaltserklärung: Das Dokument schafft Transparenz über die importierten Produkte, deren Wert sowie die beim Versand beteiligten Akteure. Es gibt zwei unterschiedliche Zollinhaltserklärungen, die in einer transparenten Außenhülle an das Paket bzw. den Umschlag angebracht werden müssen:
    • CN23 wird eingesetzt, wenn die Produkte durch ein Paket importiert werden oder wenn der Wert der Sendung über ca. 350 € (= 300 SZR; internationale Währung des Währungsfonds) liegt.
    • CN22 wird genutzt, wenn der Wert der Sendung (das Produkt) unter ca. 350 EUR liegt und wenn es sich um eine Briefsendung handelt.
  • Paketkarte CP71: Neben der Zollinhaltserklärung CN23 muss die Paketkarte CP71 transparent auf dem Paket angebracht werden. Die Paketkarte ist ein verpflichtendes Begleitdokument für das CN23 Dokument.
  • Handelsrechnung: Für alle Länder außerhalb der EU muss die Handelsrechnung mit dem Paket geliefert werden – und das in dreifacher Ausfertigung:
    • 2 x auf der Außenseite des Pakets in einem Packlistenumschlag (für das Land, aus dem geschickt wird sowie für das Land, in das das Paket geschickt wird),
    • 1 x im Paket selbst (für den Empfänger).
      Die Handelsrechnung soll über den Inhalt des Paketes sowie weitere Handelsvereinbarungen informieren.
  • Incoterms: Wenn Unternehmen Produkte in Nicht-EU-Länder verschicken, müssen die sogenannten Incoterms vereinbart werden. Dies sind standardisierte internationale Vereinbarungen über den Transport von Gütern. In diesen Vereinbarungen wird beispielsweise geklärt, wer die Versand- und Versicherungskosten übernimmt. Detaillierte Informationen finden Sie in diesem Whitepaper von Sendcloud.
  • Ursprungszeugnis: Beim Produktversand nach Großbritannien müssen Unternehmen ein Ursprungszeugnis mit einreichen (dies funktioniert beispielsweise digital via eUZ-Tool der IHK). Das Zeugnis gibt an, in welchem Land das Produkt hergestellt wurde. Dies ist für die Zollberechnung – oder, wenn das Produkt vollständig aus der EU stammt, für die Zollbefreiung – entscheidend. Ab einem Warenwert von über 6.000 € müssen Unternehmen sich im REX-System registrieren.

 

Britische Umsatzsteuer vs. Einfuhrumsatzsteuer: Wann muss wer was zahlen?

Ob ein Unternehmen die britische Umsatzsteuer oder direkt beim Import in das Königreich eine Einfuhrumsatzsteuer zahlen muss, hängt von dem Warenwert des importierenden Produktes ab.

  • Warenwert bis 135 Pfund: Die Produkte sind von der Einfuhrumsatzsteuer befreit, dennoch fallen die Produkte unter die britische Umsatzsteuer. Dies bedeutet: Onlinehändler müssen sich in Großbritannien steuerlich registrieren und quartalsweise die Umsatzsteuer an das Königreich abführen.
  • Warenwert ab 135 Pfund: Die Einfuhrumsatzsteuer wird fällig. Dies bedeutet: Unternehmen müssen unmittelbar die Steuer mit dem Import in Großbritannien abführen. Im Rahmen einer umsatzsteuerlichen Registrierung kann die Einfuhrumsatzsteuer im Folgemonat nach dem Import abgeführt werden.

 

Hinweis: Sollten Sie Ihre Produkte über einen Marktplatz vertreiben, gelten in diesem Fall andere Regeln. Diese stellen wir Ihnen folgend dar:

 

Besonderheit: Online-Marktplätze

Wenn Onlinehändler*innen die Produkte über einen Online-Marktplatz vertreibt, der nicht in Großbritannien ansässig ist, muss der Marktplatz die Umsatzsteuer bzw. die Einfuhrumsatzsteuer für die Onlinehändler*innen übernehmen. Der Marktplatz muss die Rechnung an den Endkonsumenten ausstellen und die jeweils fällig werdende Steuer (auch hier gelten die o.g. Wertgrenzen) durch seine eigene Umsatzsteuererklärung in Großbritannien abführen. Onlinehändler*innen sind somit von der Pflicht befreit.

Auf diese Veränderung hat Amazon als Online-Marktplatz bereits reagiert: Seit dem 01. Januar 2021 können Händler*innen keine Kundenbestellungen mehr via Amazon FBA (Fulfillment by Amazon) von Großbritannien in die EU (und andersherum) verschicken. Grund: Durch den Austritt aus der EU können Warensendungen von und nach Großbritannien nicht mehr über das Europäische Versandnetzwerk (EFN) erfolgen.

 

Weitere, kleine Änderungen beim Versand von und nach Großbritannien

Durch den Brexit entstehen weitere, kleinere Anpassungen für den Vertrieb von Waren zwischen einem EU-Land und Großbritannien, die Sie beachten sollten:

  1. Vorsicht bei Kundenretouren: Mit dem Austritt aus der EU entfällt das 14-tägige Rückgaberecht für Kunden, die in Großbritannien leben. Auch wenn Händler*innen dieses für ihre Kunden aus Kulanz gewähren möchten, können bei einem Retour hohe Kosten auf sie zukommen: Die durch den Import zu zahlenden Einfuhrsteuern erhalten Sie bei dem Warenrücksand in die EU nicht zurück!
  2. Zollbefreiung: Nur wenn die Ware ihren Ursprung in der EU oder in Großbritannien hat, wird die Ware vom Importzoll befreit. Zum Nachweis des Ursprungs dient das o.g. Ursprungszeugnis. Hat die Ware ihren Ursprung in einem anderen Land, so gelten die folgenden, hohen Zollgebühren: TARIC-Abfrage.
  3. Regelungen bei einem Lebensmittelversand (für tierische Produkte, Obst, Gemüse, Fisch, Honig, Milchprodukte und Pflanzen):
    • Verschicken Sie Lebensmittel nach Großbritannien, so müssen Sie die oben erwähnte Voranmeldung beim Zoll durchführen und ab April 2021 einen Gesundheitsnachweis einreichen.
    • Beim Versand von Lebensmitteln in die EU müssen Sie die Voranmeldung inkl. des Gesundheitsnachweises bereits seit Januar 2021 einreichen.
  4. Verpackungslizenz: Seit dem Brexit muss Großbritannien auch nicht mehr die EU-Verpackungsrichtlinie einhalten. Dennoch hat das Land eigene Vorgaben für die Einfuhr von Verpackungen aufgestellt, die Onlinehändler*innen dringend beachten sollten, um hohe Sanktionen vorzubeugen. Nutzen Sie unsere europaweite Informations-Plattform LIZENZERO.EU, um detaillierte Informationen über Ihre Pflichten für die Verpackungslizenzierung in Großbritannien zu erhalten:

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Detaillierte Informationen können Sie direkt auf der Seite von Großbritannien in deutscher Sprache nachlesen: EU-Business.

 

Fazit: Brexit hat große Auswirkungen für den E-Commerce

Durch den Austritt aus der EU hat sich enorm viel für Großbritannien verändert. Doch nicht nur britische Unternehmen sind vom Brexit betroffen: Auch europäische Onlinehändler*innen, die ihre Produkte an britische Endkonsumenten vertreiben, müssen seit diesem Jahr Veränderungen beachten. Neben der Zollanmeldung inklusive einer Vielzahl an Unterlagen hat sich auch der Marktplatz-Handel zwischen der EU und Großbritannien verändert. Der EU-Austritt wirkt sich somit stark auf den E-Commerce aus – jedes Unternehmen sollte daher die Neuerungen berücksichtigen, um weiterhin den britischen Markt bedienen zu können.

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